Digitalisierung mit Blaulicht: Hackathon bei der Feuerwehr München durchgeführt

Was passiert, wenn man Feuerwehrleute und IT-Experten für 24 Stunden in einen Raum packt? Wir wollten es wissen und haben den ersten Feuerwehr Hackathon in München veranstaltet. Mehr als 60 Teilnehmer sind der Einladung gefolgt. Die Ergebnisse sind verblüffend und machen Lust auf mehr.

Am 12. und 13. Januar 2024 kamen über 60 Expertinnen und Experten für digitale Technologien und Feuerwehrwesen zusammen, um innerhalb von 24 Stunden neue Lösungsansätze für Herausforderungen der Feuerwehr zu entwickeln. Das Veranstaltungsformat war ein „Hackathon“ und die Herausforderungen heißen bei einem Hackathon „Challenges“. Sie wurden in unserem Fall von Fachabteilungen der Berufsfeuerwehr München und der Freiwilligen Feuerwehr München formuliert. Veranstaltungsort war das Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr München, Abteilung Stadtmitte.

Was ist eigentlich ein Hackathon? „Das haben wir immer so gemacht“ ist oft nicht die beste Herangehensweise, besonders wenn wir vor neuen, ungelösten Problemen stehen. Genau hier setzt die Idee an: Ein Hackathon ist ein kreatives und dynamisches Format für Veranstaltungen. Erfolgreich eingesetzt werden Hackathons in Bereichen, wo an technologisch fortschrittlichen Herausforderungen gearbeitet werden soll, aber die Lösungswege noch nicht bekannt sind oder neue Ansätze gefunden werden sollen. Bei so einer Veranstaltung kommen engagierte Expertinnen und Experten zusammen und gehen Herausforderungen spontan und flexibel an. Sie finden sich in Teams rund um ein Problem und innerhalb weniger Stunden oder Tage erarbeiten sie neue Ansätze, finden Lösungswege oder erstellen Prototypen.

Der Reiz liegt im Wettbewerb und gegenseitiger Begeisterung mehrerer Teams, die gleichzeitig an verschiedenen Herausforderungen arbeiten. Es ist eine Gelegenheit, Neues zu lernen, inspirierende Menschen zu treffen und praktische Lösungen für aktuelle Probleme zu entwickeln. Ein Hackathon lebt davon, dass für wenige Stunden oder Tage alle Teilnehmer ihr Wissen und ihre – gerne auch unkonventionellen – Herangehensweisen auf ein Problem fokussieren.

Durch Digitalisierung eigene Fähigkeiten verbessern

Stadtbrandrat Claudius Blank fasst zu Beginn der Veranstaltung die Aufgaben für die Teilnehmer des Hackathons zusammen: „Es sind alle Bereiche des Feuerwehrauftrags enthalten: Retten, Löschen, Bergen und Schützen — heute als Herausforderungen aus einer digitalen Perspektive. Die Feuerwehren waren schon immer Organisationen, in denen engagierte und kreative Leute zusammen mit moderner Technik arbeiten. Nur so können wir unseren Auftrag erfüllen und genau in dem Zusammenhang macht auch ein Feuerwehr Hackathon Sinn. Die Fragestellungen der Teams bei unserem Hackathon zeigen, wie wir mit digitaler Technologie unsere Möglichkeiten erweitern und unsere Fähigkeiten verbessern können.“ 

So beschäftigten sich die Teilnehmer in mehreren Teams mit Aufgaben, die für den täglichen Einsatz relevant sind und durch digitale Lösungen vielleicht zu einem entscheidenden Vorteil in der Gefahrenabwehr führen, z.B.: Wie können wir die Position einer Person im Wasser voraussagen, wenn wir Zeit und Ort der Meldung haben, Pegelstand und Fließgeschwindigkeit des Flusses? Wie behalten wir bei großen Einsatzlagen auch den Überblick im Social Media Raum? Können wir Einsatzkonzepte erstellen und dynamisch zur Verfügung stellen, wenn wir sie mit einem Large Language Model verarbeiten lassen? Lassen sich optimale Auffahrtspunkte für Autobahnen bei Unfällen so berechnen, dass die Rettungskräfte schneller vor Ort sein können? Welche Daten lassen sich aus Fahrzeugen auslesen, um Wartung und Verschleiß in der großen Flotte der Feuerwehr besser zu organisieren?

Innovationskraft bestmöglich nutzen

Zu Beginn der Veranstaltung stand ein Impulsvortrag von Brandoberrat Christian Emrich, der aus der Erfahrung als langjähriger Direktionsdienst und Lagedienst in der Landeshauptstadt München berichtete und in Szenarien beschrieb, an welchen Stellen der Zugang und das Verständnis für öffentliche Daten dabei helfen könnte, bessere Entscheidungen zu treffen. Mit Blick auf die vielfältigen Challenges für den Hackathon hat er die Teilnehmer motiviert und angespornt: „Denkt außerhalb der Box, macht euch Gedanken zu großen Lösungen, die uns allen helfen, im Einsatz besser zu arbeiten, verlässlichere Entscheidungen zu treffen und alle gemeinsam sicherer wieder nach Hause zu kommen.“

Die Innovationskraft ist ihm dabei ebenso wichtig wie die Praktikabilität: „Wir müssen verstehen, welche Funktionalitäten wir im Einsatzdienst brauchen und dann einen Weg finden, wie wir das so realisieren, dass auch die notwendige Sicherheit und Verlässlichkeit für die Nutzung bei der Feuerwehr gegeben sind.“

Nach dem Impulsvertrag haben die Paten der jeweiligen Challenges vorgestellt, mit welcher Fragestellung sie zu dem Hackathon gekommen sind. Die Teilnehmer hatten so die Gelegenheit besser zu verstehen, worum es bei der Herausforderung geht. Da etwa ein Drittel der Teilnehmer keinen Feuerwehrhintergrund hatte, war auch für ausreichend Raum gesorgt, um die Fahrzeuge der Feuerwehr anzusehen und mit Feuerwehrangehörigen über Hintergründe, die Organisation und die Taktik der Feuerwehr zu diskutieren. Auch einige Disponenten der Integrierten Leitstelle München besuchten in ihren Freischichten den Hackathon. So kam spontan die Idee und Möglichkeit auf, dass Gäste des Hackathons auch eine Führung durch die Integrierte Leitstelle machen könnten.

Die Kombination war ideal: als Pause und Inspiration einen Blick hinter die Kulissen einer der größten Feuerwehr- und Rettungsleitstellen Deutschlands zu werfen und dort mit den Disponenten und dem Lagedienstführer aktuelle Fragen aus der Bearbeitung der Hackathonchallenges diskutieren zu können. Auch wenn dieser Programmpunkt ursprünglich nicht geplant war, zeigt er doch die Möglichkeit, die sich hier aus der Verzahnung in einer gemeinsamen Veranstaltung mit freiwilliger Feuerwehr und Berufsfeuerwehr München ergeben haben.

Ergebnisse sind frei verfügbar

Stadtbrandmeister Sebastian Meusel, der als Leiter des Fachbereichs Einsatz mit seinem Team den Hackathon ausgerichtet hat und beide Tage selbst mit den Teilnehmern des Hackathons mitgearbeitet hat, zieht nach der Veranstaltung ein positives Resümee: „Wir sind völlig begeistert von der Resonanz und den Ergebnissen des ersten Feuerwehr Hackathons. Über 60 Teilnehmer waren dabei und sind teilweise aus anderen Bundesländern und sogar aus Österreich angereist. Der Spirit war grandios und die Mischung perfekt: Angehörige von Freiwilliger Feuerwehr und Berufsfeuerwehr München haben hier zusammen gearbeitet mit IT-Expertinnen und Experten aus allen Studien- und Berufsfeldern. Die Ergebnisse spiegeln das und sind hoffentlich der Start von einer neuen Community im Feuerwehrwesen oder der Digitalisierung. Hier konnten wir in nur 24 Stunden neue Modelle und Ansätze entwickeln und verproben, für die im Normalbetrieb eine Arbeitsgruppe ein Vielfaches länger gebraucht hätte.“ 

Damit die Entwicklungen und Konzepte der Hackathon-Teams auch weitergetragen werden und ihren Weg in die Anwendung finden, war in jedem Team mindestens eine Patin oder Pate von BF oder FF München immer dabei. So können die Paten den direkten Übertrag aus dem Hackathon in die Praxis der Organisationen herstellen. Die Teams des Hackathons stellen zusätzlich ihre Ergebnisse in einem GitHub Repository frei zur Verfügung, so dass andere Teams darauf aufsetzen und weiterentwickeln können. Für die Kommunikation und den Austausch mit Interessierten aus anderen Städten und Gemeinden ist eine Discord Gruppe eingerichtet.

Der Hackathon hat deutlich gemacht, wie groß das Potenzial für die Verbindung von Einsatzwesen und Digitalisierung ist. Zur UEFA EURO 2024 wird deshalb ein Virtual Operations Support Team (VOST) als Pilotprojekt die Arbeit in der Einsatzleitung unterstützen. Dieser Pilot wird durch Expertinnen und Experten der Freiwilligen Feuerwehr München entwickelt und durchgeführt. Nach der Europameisterschaft wird sich zeigen, wie sich die Arbeit des VOST bewährt hat und welches Potenzial hier abgerufen werden kann (Kontakt: vost.einsatz@ffw-muenchen.de).

Die rege Teilnahme an der Veranstaltung hat gezeigt, dass es eine Vielzahl von feuerwehraffinen IT-Expertinnen und Experten bzw. von IT-affinen Feuerwehrleuten gibt. Der Feuerwehr Hackathon München war vielleicht wie ein Startschuss für ein neues Veranstaltungsformat innerhalb und zwischen den Feuerwehren. Durch das offene Teilen der Ergebnisse will die Münchner Veranstaltung von vornherein den kollaborativen und kollegialen Geist weitergeben.

Beeindruckt, welche Ansätze es in so kurzer Zeit gab

Stadtbrandrat Claudius Blank, der selbst beruflich als Diplomingenieur lange für Digitalisierungsprojekte verantwortlich war, zeigt sich bei der Abschlusspräsentation der Hackathon-Teams beeindruckt: „Als ich gestern die Vorstellung der Challenges gesehen habe, hat es mich schon in den Fingern gejuckt, selbst mitzumachen. Und jetzt, wo ich die Ergebnisse der Teams sehe, bin ich schwer beeindruckt. Was da in so kurzer Zeit an innovativen Ansätzen entstanden ist, das hätte ich nicht erwartet. Besonders gut gefällt mir auch die Art, wie hier zusammengearbeitet, wie wir Kompetenzen und Kräfte zusammenführen in den bunt gemischten Teams aus allen Teilnehmern. Gemeinsam kommen wir halt doch immer zu besseren Lösungen, als wenn einer allein sich vor ein Problem setzt.“