Vor 40 Jahren: Großbrand bei „Peroxid“

Am 20. Mai 1982 brannte es auf dem Gelände der Firma Peroxid in Pullach-Höllriegelskreuth. Neben vielen weiteren Feuerwehren und Abteilungen der FF München war auch die Abteilung Sendling dort im Einsatz. Der damalige Abteilungsführer erinnert sich.

Es war noch nicht so lange her, dass wir unser neues Sendlinger Gerätehaus bezogen hatten. Damals hatten wir noch viel Platz dort, weil auch das Grundstück, wo später Dienstwohnungen der Berufsfeuerwehr gebaut wurden, mit zu unserem Areal gehörte. Eine schöne große Wiese und herrliches Frühsommerwetter, was lag da näher als sich am Haus zu treffen. Schnell war der Pool aufgebaut (der 10.000-Liter-Wasserbehälter des Schlauchwagens) und die kleinen und „großen“ Kinder waren kräftig am Feiern.

Plötzlich sah einer rein zufällig mal auf den Himmel im Süden und entdeckte dabei einen Rauchpilz, wie wir ihn bisher noch nicht gesehen hatten. Schnell war ausgemacht, dass das nicht mehr im Stadtgebiet sein konnte, was da brannte; also ran ans TLF und auf „Landfunk“ geschaltet. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Bald stand fest, dass da in Pullach was Riesiges laufen musste, und uns allen war klar: Da müssen wir hin! Ehe wir es uns versahen, hatten wir unser auch noch ziemlich neues TLF voll. Die Einsatzzentrale hatte ein Einsehen – sie wollte uns sowieso gerade alarmieren – und los ging die Fahrt mit Blau ins schöne Isartal.

Auf der Wolfratshauser Straße der volle Ausflugsverkehr. Nach kurzer Fahrt gesellten sich noch ein paar Funkstreifen zu uns, und im Konvoi räumten wir alles von der Straße, was da nicht hingehörte. Ich „durfte“ fahren (war ja schließlich der Abteilungsführer und zum Glück einziger anwesender 2-er-Fahrer), und ich glaube, das Gaspedal habe ich fast durch die Bodenplatte getreten. Immer den Rauchpilz vor Augen näherten wir uns dem Ort unserer Begierde.

Was es da dann zu sehen gab, habe ich vorher noch nicht, aber später auch nicht mehr erlebt. Das „Peroxid“-Werk neben der Fa. Linde in Höllriegelskreut brannte – aber wie …

Die Flammen schlugen, vom Wind angetrieben, auf die daneben laufende S-Bahnlinie über und die Oberleitung glühte. Auf dem Gelände war wirklich die Hölle los. Die ersten Kräfte hatten sich gerade formiert, um einen Großangriff mit mehreren B- Rohren zu starten. Dazwischen gab es immer wieder Explosionen. Später erfuhren wir dann, dass das in 200-Liter-Fässern gelagerte Peroxid durch die Erhitzung explodierte. Ich sah wirklich solche Fässer wie Raketen durch die Luft fliegen.

Peroxid ist ein Stoff, der in solchen Situationen Sauerstoff frei gibt - und Sauerstoff fördert, wie man ja weiß, nicht unwesentlich die Verbrennung. Eine Sch…-Situation also! Als relativ junger Feuerwehrmann, wenig erfahren im Umgang mit Großfeuern dieser Art, wie ich es damals noch war, kam ich aus dem Staunen erst mal gar nicht heraus.

Bald standen auch unsere Leute und ich mit dabei an einem der B-Wasserwerfer und leuchteten voll in das Feuer. Natürlich hatten wir versucht, eine Deckung für uns aufzusuchen, und da kam uns eine einigermaßen massiv erscheinende Schuppenwand ganz gelegen. Erst in letzter Minute machten uns dann ein wenig ortskundigere Kameraden vom Land darauf aufmerksam, dass wir uns da wohl doch nicht den idealen Standort ausgesucht hatten. In dem vermeintlich so sicheren Schuppen war nämlich ein Gasflaschenlager. Der Schreck ging ganz schön in die Knie, als wir uns gerade noch zurückziehen konnten und nun lieber das Flaschenlager kühlten.

Andere Kräfte versuchten nun, im Angesicht des immensen Wasserverbrauchs, den wir mit unseren B-Rohren erzeugten, von der unten im Tale fließenden Isar, nahe dem Brückenwirt, Wasser herauf zu pumpen. Eine Sisyphusarbeit! Wer einmal von Grünwald zu Fuß runter zur Isar gestiegen ist, der weiß, wovon ich rede! Jetzt verstand ich zum erstenmal richtig, was das „beliebte“ Übungsthema „Wasserförderung über lange Schlauchstrecken“ für einen realistischen Hintergrund haben kann. Und ich glaube mich erinnern zu können, dass es sogar klappte.

Über uns kreiste immer wieder der Polizeihubschrauber und bald konnte man vor lauter roten Autos und (damals noch) blauen Stadt- und olivfarbenen Landuniformen kaum noch das Feuer sehen. Es war der bis dahin größte Feuerwehreinsatz der bayerischen Nachkriegsgeschichte – und die Abteilung Sendling war, ich hätte fast gesagt „wie immer“, dabei.

Ziemlich spät am Abend kamen wir dann, glücklich, vollzählig und unverletzt und mit viel Stoff zum Erzählen wieder heim. Unsere Frauen waren beim Grillen und wir konnten endlich die Duschen im neuen Gerätehaus richtig einweihen. Der klebrige Baatz war kaum abzukriegen. Erst einige Zeit später mussten wir dann feststellen, in was für einer Chemieküche wir da „gekämpft“ hatten. Bei einigen von uns löste sich langsam, aber stetig die Einsatzkleidung auf, und wahrscheinlich wären wir, wenn der Einsatz noch länger gedauert hätte, leicht „angefressen“ zurückgekommen. Aber so musste nur die Kleiderkammer eine extra Runde Hosen und Jacken ausgeben, und Sendling stand wieder für viele Aschentonnen, Zimmerbrände, Hagelschäden und abgesoffene Keller bereit.

Soviel von einem, der wirklich dabei war. Und wenn sie nicht gestorben sind... Aber: nein, es war wirklich so, und ich wünsche jedem, dass er so was auch mal erleben darf, aber natürlich nur, wenn er auch wieder so gesund und glücklich wie wir vom Einsatz zurückkommt. Also – immer auf Eigensicherung achten, dann klappt’s schon.

Thomas Holz im Jahr 2002
Abteilungsführer der Abteilung Sendling, FF München von 1981 bis 1993

Der Text wurde erstmals veröffentlich im Jahresbericht 2002 der Abteilung Sendling.